Schlaaaaand gegen Schluuuuucht

Gefragt ob Mensch zum Länderspiel der Deutschen Nationalmannschaft fahren möge, rief durchaus innere Konflikte hervor. Einerseits die attraktive Arena Auf Schalke, andererseits die banale Zurschaustellung von blankem Nationalismus.

Dann doch lieber mal zum FC Schalke 04. Aber so oft ist die Chance nicht geboten, eines der modernsten Stadien Deutschlands zu erleben. Also Angebot ausgeschlagen, da Mensch sich die durchaus berechtigte Frage nach der Zweckmäßigkeit seiner Anwesenheit ersparen wollte, wenn er sich eh nur Aufrege.

Da nun ein Mitfahrer spontan absprang und ich die Lückenbüßernummer mimte, ging es nun doch Freitag um eins von Friedrichstadt nach Schalke. Von Dresden nach Gelsenkirchen. Von 1898 nach 1904. Richard Hofmann und Ernst Kuzorra. Ja, ja mit ein paar Lenzen mehr auf dem Buckel würde ich jetzt ins Schwärmen geraten. So fällt mir beim Thema Schalke immer nur Patrick Anderson ein.

Das Paradoxon, wie Deutschland als Nation abgelehnt und dennoch Österreich die Daumen gedrückt werden kann, ist als bloße Unterstellung zu werten. Sympathiebekundungen zum Alpenvolk sind höchstens als Provokation zu verstehen. Wer sich provoziert fühlt, ist selber schuld. Bis auf ein dezentes Mitwippen bei „Wer nicht hüpft, der ist ein Deutscher“ und ein „Hopp Schwiz“ kam es ja auch zu keinerlei Ausfälligkeiten.

Auf der Hinfahrt wurde sich jedenfalls fast durchgängig mit der Situation der Friedrichstädter Fußballkunst beschäftigt. Insgesamt knapp sechs Stunden dauerte die Anfahrt. Parkplätze gabs am Stadion nur auf Vorbestellung und gegen 15 Euro. So wurde querfeldein in einer Netten Wohnanlage mit ungewöhnlicher Straßenführung geparkt. Keine zwanzig Minuten entfernt waren wir aber auch schon wieder am Gelände, Fanshop, dann Trainingsplatz und schon die erste Fressbude. Ahoi. 3,80 das Wasser! 3.60 das Steak. Teurer Turnschuh, dieser Westen. Herzlich Willkommen im Profifußball. Komischerweise verweigerten die Herren und Herrinnen des Grills kategorisch die Annahme einer Bezahlung für ihre entgegengebrachte Leistung eines Schnitzelbrötchens. Gefühlte fünf Minuten wurde mit dem Fünfer gewedelt, aber einem geschenkten Gaul… jedenfalls wurde der Bezahlversuch mit verstörten Blicken bedacht und ein Zehntel des Eintrittspreise war wieder rein.

Dann an der Schalke 04 Geschäftsstelle vorbei grüßten die Flutlichtmasten des Parkstadions. Das bisher nur durch Mios Dios Fußballgott bekannte Rund entpuppte sich beim näheren Hinsehen als noch größere Ruine als das Steyer-Stadion. Ein pubertierender 1,60cm Hüne wollte uns am Zugang hindern, ich in meiner blauäugigen Gutmenschlichkeit hätte natürlich um Einlass geteten, damit ich die Baustelle einer Prüfung unterziehen kann. Glücklicherweise war die ehemalige Haupttribüne bereits zum Parkplatz umgebaut und der Royseleiter entgegnete dem Zutrittverweigerer „wir wollen zum Auto“. Jener wich in Windeseile und gewährte fast unterwürfig Eintritt. Bis auf die Gegengerade sowie die Flutlichtmasten ist aber auch nichts mehr vom Parkstadion erhalten. Ein mit uns eingedrungener Köln-Fan fabulierte von einer üblichen ich-und-mein-Vater-Bundesliga-Bla-Bla-Bla-Schlachten-hier-geschlagen-Story. Unseren Fabeln von höchstens mal von den Köln Amateuren geschlachtet worden zu sein, rief keinerlei Interesse hervor und wir verließen den Herren in seinem senilen Sinnen inmitten der Ruine.

Anschließend immer am Kuzorra-Weg entlang zur Westtribüne. Dort angekommen wurde die Sicherheitsschranke überwunden. Bepackt wie ein Esel (Fotoausrüstung, Jacke, sollte ja angeblich keine warmen Tage mehr geben und ein Buch, wozu auch immer) ging es durch den Metalldetektor. Das Ding röhrte natürlich los, natürlich, da bei jedem anderen der durch die heiligen Pforten Schritt auch. „Ist da was zu trinken drin?“ „Nein!“ „Na dann“. Selbst wenn ich einen Sprengstoffgürtel um den Latz gebunden hätte, hätte ich nicht flunkern müssen um den Zünder in meiner Tasche hinein zu schummeln. Jedenfalls erreichten wir zügig unseren Sitzplatz. Einen Plaz weiter links und wir säßen auf der Haupttribüne, die Karte käme dann übrigens günstige 50€. Vorzüglicherweise direkt gegenüber des Gästeblocks. Die anwesenden „Schluchtenscheißer“ verspielten zügig jede Sympathie. Der Aufforderung der StadionsprecherInnen nach Toleranz und Respekt kam der Gästeblock freundlicherweise sofort nach. „Schwuler DFB, schwuler DFB, schwuler, schwuler, schwuler DFB“. Oli Bierhoff sah sich jedoch nicht zu einem sofortigen Dementi genötigt, während Mister Lahm die Fronten ja bereits geklärt hatte. Ich meine jedoch Roman Weidenfeller im Gästeblock als Capo ausgemacht zu haben.

Zum Einlauf der Uniformierten ereilte mich auch schon der erste Brechreiz. Die Frage darf erlaubt sein, wenn die Shuttlebusse für das Bochumer Orchester werben, warum dann die Bundeswehr das Deutschlandlied schmettern muss. Ein wenig Lokalkolorit wäre doch auch nett. Aber ich kann schon nachvollziehen, dass keiner einem richtigen Orchester ein blankgezogenes, bierbäuchiges, mit schwarz-rot-güldener Pickelhaube geschmücktes Fußballpublikum zumuten möchte. Einwand zurück gezogen, Bundeswehr am richtigen Ort.

Zur innervölkischen Völkerverständigung hätte meiner Meinung nach ruhig die Österreichische Kaiserhymne gespielt werden können. Gott erhalte „Uns Franz, den Großdeutschen Fußballkaiser."

Nachdem diese anstrengenden Minuten durchstanden waren, wurde auch mal Fußball gespielt. Mit Oli Kahn im Nacken ging es los. Und die Schützlinge von Joachim legten los wie die Feuerwehr. Nach einer halben Stunde war der Stiefel gegessen. 3:0. Das nicht unansehnlich und durchaus verdient. Supporttechnisch wurde schon nach kaum 15 Minuten die erste LaOla provoziert und es schalte auf Schalke „Oh, wie ist das schön“. An sich durchaus faire Atmosphäre. Gute Gastgeber die Gelsenkirchener und der Dortmunder Götze mit einem traumhaften Schlusspunkt.

Oli King Kahn Torwarttitan verfolgte die Partie dennoch sichtlich gelangweilt und verlassen von seiner Kollegin KMH im TV-Mod-Bereich, welche derweil ihren inneren Parteitag abnahm.

Noch ein wenig Arenaluft geschnuppert und schon versuchten wir uns gen sächsische Heimat zu verabschieden, doch jene Arena stellte uns zunächst vor schier unüberwindbare Hürden. In kürzester Zeit auf dem Areal verlaufen und beim überqueren eines Absperrzauns die Hose ruiniert. Die Rache für das Kostenlosschnitzel. Fühlen, Denken und Handeln wie eins, Teamgeist auf Schalke…

Höhe Kassel an der Autobahnraststätte dem Kohldampf noch Befriedigung verschaffen und bei Würger King einchecken. Doch mit dem gepriesenen 24h Service hielten es die Feinkostverächter nicht so genau und Fleisch war aus. Nur noch Chicken, bin ich Vegetarier? Immer noch besser als Mettbrötchen von der Tanke und um fünf Uhr in der Frühe dann endlich im Bett. 

 

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