Zu Besuch in Leipzig - oder: Möge die Brause sieglos sein

Der gute andi_dd hatte mich auf die Idee gebracht: Freitagabend, St. Paulis Reserve zu Gast in Leipzig, und zwar bei Regionalliga-Spitzenreiter Rasenballsport Leipzig, dem Verein mit gerade brutalst möglich entstehender Tradition, der das Wort Rasenballsport auch bereits auf den vereinsinternen Index gesetzt hat und nur noch von den Roten Bullen spricht, bei dem in den letzten 12 Monaten wirklich jedes Gesicht mindestens ein Mal ausgetauscht wurde…

Aber zurück zum Text: Pünktlich durch das Leipziger Verkehrschaos gedüst, erreichte ich das Stadion, das inzwischen eine Arena ist und nach taurinhaltiger Zuckerbrause benannt ist. Dort verschlug es mir das erste Mal die Sprache: Stolze 8 Euro verlangen die Rasenballsportler für einen Platz im Gästeblock. Selbst wenn man berücksichtigt, dass es sich ausnahmslos um überdachte Sitzplätze handelt, sind 8 Euro für das billigste Ticket in einem Regionalliga-Spiel echt böse. Für einen Euro mehr kann man in Cottbus auch zweite Liga schauen. Aber wenn man schon mal da ist…

Im Stadion dann leichte Ernüchterung: Dass das ehemalige Zentralstadion nicht ausverkauft sein würde, war klar, aber so leer? Als erstmaliger Tabellenführer und Flutlicht gegen St. Pauli: Das hätte mehr als (optimistisch gerechnete) 4500 Zuschauer anlocken dürfen. Dafür war der Gästeblock recht ordentlich gefüllt. Es war zwar wahrscheinlich nicht ein echter Hamburger da, aber zahlreiche mitteldeutsche Pauli-Fans sowie eine größere Abordnung vom Roten Stern bildeten einen recht ordentlichen Gästemob, der auch über weite Strecken akustische Untermalung bot.

 

Das Spiel bot den Gästefans Anfangs allerdings anfangs wenig Grund zu jubeln. Das RB-Ensemble dominierte das Spiel. Dabei boten beide Teams einen recht ordentlichen Fußball, spielten aber kaum Großchancen heraus. Nach gut 30 Minuten köpfte dann Daniel Frahn die Leipziger in Führung. Besser hätte es für St. Pauli aber gar nicht laufen können. Denn mit der Führung im Rücken wurde der Tabellenführer hektisch und stellte alle bis dahin in geringem Maße vorhandene spielerische Ansätze ein. Zwar vergaben die Leipziger noch eine Hundertprozentige, mehr war aber nicht. Paulis Amateure spielten zwar ordentlich mit, hatten bis auf einen guten Angriff aber einen schweren Stand.

 

Verkehrte Welt dann im zweiten Abschnitt. Pauli machte Dampf, RB war hinten teilweise überfordert. Und so kam es wie es kommen musste: Unter großem Jubel des Gästeblocks machten die Hamburger aus einem sehr schön herausgespielten Angriff den Ausgleich. RB warf zwar noch mal alles nach vorn, bis auf lange Bälle auf die Stürmer fiel den Stars von der Pleiße aber herzlich wenig ein. Pauli feierte schließlich einen Auswärtspunkt, während das Leipziger Publikum ihr Team mit Pfiffen in die Kabine schickte.

 

Überhaupt, das Leipziger Publikum: Während es anfangs sogar vergleichsweise laut in den Gästeblock schallte und sich rund 50 Hanseln im RB-Block dauerhaft am Support beteiligten, wurde das Publikum immer leiser, je besser Pauli wurde. Wer dacht hätte, dass das Heimpublikum beim finalen Sturmlauf ihr Team nach vorne brüllen würde, der hatte sich böse getäuscht. Während die Gäste feierten, fielen dem Leipziger Anhang nur noch Pfiffe ein.

 

Zudem scheinen die Rasenballer ein Problem mit Antirassismus zu haben. So soll es eine Flagge mit dem Totenkopf und der Aufschrift „Hate Racism“ nicht an den Ordnern vorbei geschafft haben – ist ja auch böses Zeug, nech? Und auch über das Leipziger Maskottchen, eine rote Kuh, habe ich mich ein wenig gewundert. Der Gute, der im Kostüm steckte, hatte zeitweise nix besseres zu tun, als vor dem Gästeblock mit dem Stoff-Schwanz zu wedeln und sich mit den Pauli-Fans zu beschäftigen. Es soll ja Truppen geben, bei denen das weniger gut ankommt…

 

Was bleibt: Ein ordentliches aber nicht berauschendes Fußballspiel, ein nach einem Jahr völlig verändertes Leipziger Umfeld, das ich irgendwie nicht ins Herz schließen konnte, ein Gästeblock, der wahrscheinlich seit der WM 2006 nicht mehr gereinigt wurde, und ein paar nette Gespräche mit Paulianern – es gab schon schlimmere Freitagabende.

lohsi

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 1
  • #1

    andi_dd (Sonntag, 23 Oktober 2011 11:10)

    Schöner Bericht, aber kleine Korrektur: Dieses Mal waren in der Tat auch Hamburger im Block. USP hatte zum Leipzig-Besuch aufgerufen. ;-) Aber mehrheitlich waren die Leute freilich aus Leipzig, Dresden, Senftenberg, Berlin etc. ;-)