Einer der weit werfen kann!

Was reimt sich auf „blau und weiß“? Die Auflösung dieses kleinen Rätsels folgt wie immer am Ende unserer heutigen Sendung. Da fest stand, dass der DSC weiter auf seine Pflichtspielpremiere 2012 warten muss, dreht sich das heutige Thema um „Eventhopping“. Gegenstand unseres unglaublich investigativen Journalismus ist das Stadion an der Gellertstraße. 3/4 der Reisegruppe hatte schon einmal einen Fuß in das himmelblaue Wunderland gesetzt. Dieser Teil muss sich berechtigterweise die Frage gefallen lassen, was sie ein zweites Mal in diese Gefilde getrieben hat. Kurz und knapp: der FC Carl Zeiss Jena.

 

Um genauer zu sein: Der Drittligaknaller zwischen den Himmelblauen aus Chemnitz und den Optikern aus Jena. Immerhin das 75. Aufeinandertreffen zwischen dem einfachen und dem dreifachen DDR-Meister, vom MDR frenetisch als "Klassiker" gefeiert.

 

Für die Statistikfreaks: 21 Siege für den CFC, 15-mal trennten man sich Unentschieden und 28-mal gewann der FCC. Von den 36 Heimspielen verloren die ehemaligen Karl-Marx-Städter nur vier. Auch der Blick auf die Tabelle sprach nicht unbedingt für die Gäste, während die Jenenser den Tabellenkeller bereichern, mauserte sich der Drittliganeuling bis auf drei Punkte an Regensburg und damit an den Relegationsplatz zur Zweiten Bundesliga heran. So kann’s gehen, wenn man einen Schachter ans Ruder lässt. Dort weiß man, wie man wieder rauf kommt!

 

Gerd Schädlich hat zwar im Direktionsbezirk KMS das Licht der Welt erblickt und seine kurze, aktive Laufbahn beim FCK verwunden, so richtig erfolgreich war er aber erst mit dem lila-weißen Erzfeind.

 

Während der Vorführung der neusten Thor Steinar Kollektion auf dem strategischen günstig gelegenen Kaufhallenparkplatz am Stadion, jetzt hätte ich fast Edeka gesagt, genossen zwei Todesmutige der Reisegruppe eine einheimische Bierspezialität mit dem Namen Reichenbrander. „Eiche Reichenbrand, Geheimtipp!“, wie unser Fahrer mehrfach das Wochenende verlauten ließ. Einen weiteren Geheimtipp hatte selbiger auf der Offi-HP des CFC erspäht: „Bitte zeitig anreisen“. Und so befanden wir unser schon eine Stunde vorm Anpfiff im Stadion.

 

Für verzückend wenige sechs Euronen wurde Zutritt zur Fischerwiese gewährt. Günstiger geht’s kaum! Die Gesichtskontrolle am Blockeingang, durchgeführt von einem szenekundigen Ultra, entlarvte uns sogleich als „Erstleser“ und man stattete uns mit Lesestoff aus. Stehplatz überdacht, Stammplatz der Chemnitzer Hobbytrainerszene. Die Couchpotatokloppos und Hobbylatteks ballerten uns allerlei Plattitüden und Binsenweisheiten um die Ohren. „Der Andersen ist gar ni ma so verkehrt! Kann immerhin schön weit werfen!“ Man ist bescheiden geworden im tristen Osten!

 

Ebenfalls bescheiden: Der Auftritt beider Mannschaften in der ersten Halbzeit. Chemnitz meist optisch Überlegen, doch Chancen Mangelware. Kurz vor Pausenpfiff dann die nicht unverdiente aber umstrittene Führung. Der CFC hatte einen Freistoß eigenmächtig vom Sechzehner an die Mittelinie verlegt. Sander geiferte Gift und Galle. Aber Helmer hilft, am Ende waren es nur zwei Meter. Aber der Patrick hat halt keinen Videobeweis mit feschem Grafiktool.

 

Halbzeit Zwo zeigte sich von ihrer unterhaltsamen Seite. Ab und an ging es sogar richtig rauf und runter! Tino Berbig wurde vom Heimblock gleich mit „Fliegenfänger“ begrüßt. Womit eine Geschichte ihren Lauf nahm, die nur der Fußball schreiben kann. Der „Fliegerfänger“ Berbig pariert glänzend gegen den von allen Jenaer Geistern verlassenen Schlosser und verhinderte damit das vielleicht vorentscheidende 0:2. In der 76. Minute ist es dann der Ex-Sankt Paulianer Nils Pichinot, der nach der Flanke von Ralf Schmidt harmlos aufs CFC-Gehäuse köpft. Doch Philipp Pentke flutscht die Murmel durch Arme sowie Schürze und vom Gästeblock schallt es durch ganz Chemnitz: „Fliegenfänger, Fliegenfänger“.

 

Die von stiller Schadenfreude gezeichnete Reisegruppe mühte sich um Beherrschung, während der B-Block auf seinen Keeper schmipfte! „Vier Punkte! Vier Punkte hatter[hier Pentke, Anm. d. Red.] uns jetzt schon gekostet!“ Umso euphorischer wurden nun Aktionen der Himmelblauen beklatscht, um keinerlei Verdacht beim Heimanhang zu wecken.

 

Dann war auch schon Schluss. 8400 Zuschauer wollten das Spiel sehen. Davon bestimmt 1600 aus Thüringen. Schöne Choreographien zum Einlauf, Jena mit Rauch. Stimmung auf beiden Seiten durchgehend, aber größtenteils eher leise, bedingt durch geringe Beteiligung. Der CFC beim Wechselgang zwischen Haupttribüne, Gegengerade und Südkurve schön laut, sowie bei Antijena- und „Schachtscheißer“-Gesängen, gehört ja zum guten Ton. Jena dafür wesentlich kreativer und mit den schöneren Zaunfahnen.

 

Während des obligatorischen Abfahrtsstaus, durften wir dann noch Zeuge eines gewöhnlichen Schauspiels werden. Auf unserer Seitenstraße flüchteten zwei kleine Grüppchen Himmelblauer mit sprichwörtlich diebischem Grinsen und blau-weiß-gelben Utensilien unter der Jacke. An der Kreuzung wurden dann auch die Opfer ausgemacht. Eine Autobesatzung Thüringer wurde ihrer Deko beraubt. Schön bescheuert für so einen Kinderkram ein Jahr Knast zu riskieren.

 

Und was reimt sich nun auf die Vereinsfarben der Chemnitzer? Natürlich "Ehre, Treue, Blut und Schweiß"… *brechwürgh*!

 

Bilder/Statistik

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Kommentare: 1
  • #1

    S aus C (Dienstag, 28 Februar 2012 01:35)

    Weitgehend treffend und unterhaltsam geschrieben, mit drei subjektiven Anmerkungen:

    1. Bei der Formulierung "ni ma so verkehrt" ziehe ich das erste Wort doch in arge Zweifel. Wir sind hier ne in Drejsden, nu?

    2. In der Nordkurve stehend, wo es nun nicht soo laut war, habe ich trotz direkter Nachbarschaft zum Zeissblock nix gehört. Zum einen stand der Wind ungünstig (und das meine ich ehrlich und nicht ironisch), zum anderen wird die Horda wohl wieder ihre üblichen Tralala-Lieder gesungen haben.

    3.) Leider waren einige "Absteiger!"-Rufe schlecht (weil kurz vorm Ausgleich) plaziert. Hach, wäre das schön gewesen, in der 82. oder so das 2:0 nachzulegen und dann kollektiv den Abstieg der Heinze zu feiern :-)

    In diesem Sinne
    sportliche Grüße aus Chemnitz