Rostock gesucht, Prag gefunden!

Eigentlich wollte die Friedrichstädter Hippiekommune nach dem furiosen 5:2 des Dresdner SC gegen Rotation Dresden dem nicht weniger furiosen 5:1 der Frankfurter Eintracht beim arg abstiegsbedrohten FC Hansa Rostock beiwohnen. Die Anzahl Mutwilliger, die sich den Herausforderungen der trostlosen Stunden Fahrt durch die nordostdeutsche Prärie stellen wollte, steigerte die Fahrtkosten im munteren Zusammenspiel mit den Spritpreisen in astronomische Höhen, dass der Royseleiter lieber den Spielplan der Stadtoberliga Prag nach annehmbaren UMTs sondierte.

7.45 startete unsere Arche Marke Skoda die Suche nach dem annehmbaren Gral. Die Fahrt trug uns durch weite Baumwollplantagen entlang der Labe, gesäumt von malerischen Elbhängen, marmoriert mit akkurat hergerichteten Reisterrassen. Dank der arbeitnehmerfreundlichen Arbeitszeiten in unserem wunderschönen Nachbarland, konnten wir auch am Sonntag aus der Ferne das berühmte Reisstampfen beobachten und bereits in der Frühe dürstete es uns nach einem Fass lauwarmen Sake.

 

Gegen 10.00 war es dann endlich auch soweit und wir umschifften mit unserer Arche die berühmten Prager Häuserschluchten des böhmischen Spätbarocks „WBS 70“. Von nun an entlang der Moldau hin zur frühmittelalterlichen Burg Vyšehrad. Dort residierten die Fürsten des legendären böhmischen Herrschergeschlechts der Přemysliden. Deren sagenumwobene Stammmutter Libuše als Mutter aller Tschechen gilt und den bis dahin mutterlosen empfahl die Prager Burg zu bauen und Namensgeber Přemysl zum ersten Fürsten zu küren.

 

In Orientierungslosigkeit gefangen und weder mit „modernem Kommunikationsscheiß“ noch althergebrachter Karte ausgestattet, umkreisten wir in nimmermüder Stetigkeit den Sportplatz. Zum Glück erwischten wir eine auskunftsfreudige Einheimische die uns in perfektem Englisch den Weg erklärte. Dennoch befanden wir uns nach nur wenigen Sekunden wieder auf einer Schnellstraße nach Bayreuth. Ein wenig Zickzack später erblickte des geschulten Hoppers Auge an der Kreuzung stehend ein Flutlicht. „Dort!“ und des Fingers Zeig wies zum Kunstrasenplatz des FK Slavoj.

 

Durch den Begrenzungszaun vernahmen wir Anpfiff und erblickten den Anstoß. Da sich die örtliche Sparkasse leider als geschlossen denunzierte, mussten wir uns mit westeuropäischer Währung durchschlagen. Ein Euro Eintritt mit dem Hinweis auf absolute Bewegungsfreiheit im Areal. Programmheft ohne Eintrittskarte. Am Grillstand wurden uns zwei Euro pro Klobasa zum Frühstück abgenommen. Der Kollege kam mit Bier statt Reiswein vom Ausschank und präsentierte stolz zwei Pivo zum Preis von insgesamt fünf Euro.

 

Nachdem wir die Preise so langsam verarbeitet hatten, kamen wir uns vor wie die Weihnachtsgans. Ziemlich ausgenommen! Da meinte selbiger Kollege: „Was heißt kostenlos auf Englisch?“, „For free!“. Denn die nette Dame am Ausschank hatte versucht klar zu machen, dass auch die nächsten zwei Pivo mit dem Fünfer ebenfalls beglichen waren.

Der 1907 gegründete FK Slavoj ist nicht zu verwechseln mit dem 1909 ins Leben gerufenen SK Slavoj Prag und spielt in der vierten Liga. In die er vor zwei Jahren abgestiegen ist. Bekannteste Spieler sind die beiden Nationaltorwartlegenden Zdeněk Hruška (1999-2001 Torwarttrainer bei TEBE) und Petr Kouba (Vizeeuropameister 1996). Derzeit belegt der FKS den vierten Platz. Zu Gast war Kellerkind Teplice B. Klare Ausgangslage in einer hart geführten und umkämpften Partie, mit dem vielumjubelten Siegtreffer für die Gäste kurz vor Schluss.

 

Dann auf nach Králův Dvůr. "Walther Dzur?", "Králův Dvůr!", "Klafkalasch?", "Ach Schnauze!!" Aber zunächst wieder Sightseeing durch Prag. Nicht etwa beabsichtigt. Trotzdem schön. Vorbei am Hauptbahnhof nach Holešovice. Übrigens Heimatstadtteil der Gäste unseres nächsten Grounds. FK Lokomotive Praha, seit 2005 FK Loko Vltavín, gegründet 1898, ist der siebent älteste Verein der Tschechischen Republik. Dann noch einen Blick auf das Stadion Letná des AC Sparta, ein paar Runden im Kreis und dann endlich! Die Autobahn Richtung Pilsen.

 

Beroun ist übrigens das Nachbardorf von Králův Dvůr. Und zweitens auch der Ort in dem wir vergeblich nach dem Stadion des FK Králův Dvůr gescoutet haben. Stattdessen fanden wir einen Bankomat der Sparkasse und konnten uns endlich mit Kronen eindecken. Erneut ein Einheimischer gab uns Auskunft über die Sportstätte und eine Stunde vor Anpfiff stellten wir dann auch unseren PKW in stadionnähe ab.

 

Die trotz Klobasa hungrige Gemeinde steuerte zielsicher das nächstgelegene Gebäude mit der Aufschrift „Restaurace“ an. Doch Essbares suchte man vergebens. Dem seit Abfahrt nach Böhmischen Knödeln verlangenden Samoht stiegen die Tränen in die Augen, den ein weiteres Restaurace war nicht in Sicht. So ging es in den nächstgelegenen Hypermarket. Dort fand unser Reisebegleiter sämtliche Speisen die sein böhmisches Herz begehrte.

 

Einmal Böhmische Spaghetti Bolognese bitte, dazu Pepsi … Herr Kellner, kann ich noch Fett haben? Nuja, im aufwendig mit typisch Böhmischem Fachwerk verzierten Supermarkt versorgte sich auch der Rest mit Nahrung. Ich hielt mich zurück um das Unterfangen ‚as much Klobasa as possible‘ nicht zu gefährden. Bisher hätten wir auch zu Gebergrund Goppeln fahren können. Auf dem Weg hätte man im Kaufpark Nickern Ähnliches erleben können...

 

Weils so schön war, setzten wir erst fünf Minuten vor Anstoß zum Ground über. 40 Kronen Eintritt. Entspricht auch dem Preis der roten Fettgranate mit Kohlekruste. Den Showpunkt für die zunächst gegrillte und nach Bestellung noch drei Minuten im offenen Feuer verbrannte Wurst hat Králův Dvůr auf jeden Fall sicher. Geschmackssache ist diese Form der Verarbeitung aber auch. Und meiner eben nicht. Auf den krossen, nach Krebserregern schmeckenden Mantel hätte ich zu gern verzichtet.

In das 2500 Torso fassende Stadion hatte sich weniger als ein Zehntel der angegebenen Kapazität verirrt. Im Drittliga-Knaller stand die Konstellation im diametralen Verhältnis zum Vorspiel. Oberes Mittelfeld zu Gast beim Kellerkind. Das Kellerkind hatte direkt nach Anpfiff die Chance zur Führung. Doch H.P. Baxter scheiterte vollkommen freistehend am Schlussmann und die Gäste erzielten nur wenig später das 0:1, gleichzeitig Halbzeitstand. In der zweiten Halbzeit wurde es dann richtig spannend. Chancen hüben wie drüben, doch der Favorit mit dem Zwonull.

 

Da der Fußballgott nicht unbedingt auf unserer Seite stand, das Spiel wurde später angepfiffen und die Halbzeitpause über Gebühr verlängert, mussten wir die Partie leider eher verlassen. Als wir uns in Bewegung setzten, fiel auch gleich der Anschlusstreffer für den Underdog. Und als wir fast den Ausgang erreichten, legte die Heimmannschaft nach. Der Ausgleich! Denkste! Abseits!

 

Aber nu nüscht wie weg. Knapp eine Stunde bis zum Anpfiff im Eden. Wenigstens für diese Strecke hatte der Royseleiter vorgesorgt und sich von Googlemaps eine Anleitung besorgt. Und schau an, nach 40 Minuten Fahrt erreichten wir pünktlich die Synot Tip Arena, wie das Eden auf Neudeutsch heißt...

Unter anderem auch, weil uns der Royseleiter richtig gebrieft hatte. „Nach einem Einkaufszentrum ausschau halten!“ Und Tatsache. Das Eden sieht mit seinem McDrive, seinem integrierten Hotel und weiterem Einkaufsschnickschnack, wirklich nicht wie ein Stadion aus. Ästhetisch durchaus sehenswert gestaltet, aber auch irgendwie befremdlich. Zum Glück reißt die Fassade am Hintereingang auf und das Stadion zeigt auch von außen den Charme, den sein Inneres versprüht! Vor allem die Holzvertäfelung des Daches ist ein wahrer Augenschmaus!

 

240 Kronen und wir erhielten Zutritt zur Gegengerade. Umgerechnet circa 9-10 Euro Eintritt für erstklassigen Fußball, zumindest nach tschechischen Verhältnissen, mit zweitklassiger Sicht und drittklassigen Heimsupport. Allenfalls halbvoll der Heimblock! Im Gästeblock tummelten sich nur eine Handvoll Gäste und ebenso viele Fahnen.

 

Das geringe Interesse der Prager mag mit der tabulkarischen Situation der Slawisten zusammenhängen. Lediglich auf Platz 11 findet sich der traditionsreiche Sportklub, neunfache tschechoslowakische und dreifache tschechische Meister wieder. Dabei hatten die Fans des ewigen Zweiten (seit Einführung der tschechischen Liga 1993 insgesamt achtmal Zweitplazierter) ihr Ziel erreicht. Drei Tage vor Spielbeginn war Trainer und ehemaliger Bundesligaverteidiger von Rostock und Gladbach, František Straka von seinem Amt zurückgetreten. Von 1979 bis 1988 erzielte Straka 10 Tore in 223 Erstligaspielen für Sparta Prag. Was ihn für die Anhänger des SK Slavia untragbar machte und er schließlich dem Druck der Fans nachgab.

 

Dennoch setzte es das dritte 0:0 im vierten Spiel. Was der guten Stimmung im Heimbereich keinen Abbruch tat. Sicherlich durch die gute Akustik des Stadions begünstig, lieferte der Heimmob einen lauten und abwechslungsreichen Support ab. In Absprache mit uns wurde die Choreo erst nach einer Viertelstunde präsentiert, im Falle wir uns aufgrund navigatorischer Verfehlungen verspätet hätten.

 

Dann noch schnell den Fanshop geplündert und rauf auf die Schnellstraße und rein in den trockenen Martini. Die letzten Kronen wurden auf den Heller genau in zwei Büchsenbier verwandelt und Heimwärts ging die Fahrt. Zum Abschluss gibt es das ultimative Klobasaranking:

 

Auf Platz 3: Die Kommerzwurst. Direkt aus dem Ofen auf die Pappe, geschmacklich ansprechend, unendlich Senf, aber die Performance. Die führt gleich zu Platz 2: Die Steinkohlewurst. Durch den Kohlerand leider geschmacklich hinter der Kommerzwurst. Aber der Showeffekt macht die Musik! Außerdem gabs nur in Králův Dvůr Meerrettich dazu! And the winner is: Die UMT-Wurst. Verdammt leckere Wurst, super gegrillt, mit zwei Teuro etwas euer, aber das war’s wert! Dobrý den!

 

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