Nur noch Frieden!

Da die Freibeuter einen Narren daran gefressen hatten, den Sankt Pauli Amateuren durch den wilden Osten hinterher zu touren, ergab sich auch dieses Mal dem Fußballinteressierten die Möglichkeit einen Sportplatz mit Ausbauten zu inspizieren. Nutzer des auch Stadion genannten Geländes ist der VfB Germania Halberstadt.

 

Obwohl die Fans des VfB das Jahr 1949 als Gründungsdatum skandieren, wurde schon zwei Jahre länger unter dem Namen SG Halberstadt-Altstadt gekickt. Wikipedia weist den 26. Oktober 1949 als Datum der Umbenennung in BSG Reichsbahn Halberstadt aus. Mit dem Beschluss zur „Reorganisation usw.“ des „Deutschen Sportausschuss“ wurde nur ein Jahr später BSG Lok Halberstadt daraus.

Nachdem Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetztes der BRD folgte die Umbenennung in Eisenbahner SV. Da jedoch nur 18% der Mitglieder Eisenbahner waren, folgte eine Neuformierung als VfB Halberstadt 1994, wobei sich die Fußballabteilung als FC Germania Halberstadt selbstständig machte. Dabei wurde Bezug auf den 1900 gegründeten Halberstädter Fußballclub genommen, der bis 1932 sogar einige Jahre in der höchsten Spielklasse ansässig war. Doch ganze drei Jahre später beschloss man die Fusion zum VfB Germania Halberstadt.

 

Die berühmtesten Spieler von Halberstadt sind Jürgen Sparwasser, Kevin Schlitte, Nils Petersen und Maik Franz. Wer hätte’s gedacht?

 

2003/2004 kreuzten der damalige Aufsteiger in die Oberliga und der DSC, Absteiger aus der Regionalliga, die Klingen. Vor 1.037 Zuschauern im Friedensstadion obsiegte der Aufsteiger mit 1:0 über den späteren Absteiger in die Landesliga.

 

Mit ein wenig Wehmut bei den boys in brown startete 10.50 die Fahrt am Neustädter Bahnhof. Es war immerhin der letzte Ausflug der Amateure des magischen FC in das Gebiet des dahingeschiedenen Arbeiter- und Bauernstaat. Schuld daran ist vor allem die Regionalligareform.

 

Halberstadt? Da kommen doch de Würstsche her! Jawoll Herr Calmund, so isset! Echte Wurst, für echte Männer! Zumindest wenn Mensch nach dem Werbeslogan „alles was Mann[sic!] gern ist[sic!]“ geht. Die Halberstädter Fußballer verdienten zuletzt jedoch immer weniger das heteronormative Prädikat der eisernen Mannhaftigkeit. Viel mehr hatte die „Gurkentruppe“ gerade einmal zwei Siege bei fünf Niederlagen aus den letzten 11 Spielen geholt und rutschte damit sogar hinter die braun-weiße Reserve.

 

Aber auch von den Sankt Paulianern war nicht viel zu erwarten. Diese eher im unteren Mittelfeld angesiedelt, wurde bisher keiner der Reisenden  mit einem Sieg für seine Reisemühen belohnt.

 

In den Gästeblock hatten sich immerhin 50 Leute getraut. Mutig weniger wegen den bösen Halberstädtern. Die waren nämlich alle ganz nett und jeder konnte sich mit seinem Schal unbeschadet bewegen, eher wegen der finster dreinblickenden Security. Der VfB Germania hatte ganz schön aufgefahren, sowohl Polizei als auch eine große Menge Ordner waren anwesend und gaben einem das nicht für nötig empfundene Gefühl höchster Sicherheit.

 

Für 2,00€ gab’s 0,3 Liter Hasseröder und für 1,80€ eine klitzekleine Bocki. Während Frank Rosin wahrscheinlich den Imbiss abgefackelt hätte, gab sich der Fußballfan kleinlaut zufrieden. Ich jedenfalls wünschte mir verzweifelt mein Altenburger Bier zurück.

 

Fußballerisch war die erste Halbzeit so lala, so lala. Ausgeglichen und Sankt Pauli mit der leicht verdienten Führung. Doch die Germanen kamen wie ausgewechselt aus der Kabine. Mit ordentlich Dampf auf dem Kessel überrannte der VfB die Gäste.

 

Von Gegenwehr kaum eine Spur. Abgebrüht netzten die Germanen ein und zogen den Gästen die Pelle über die Ohren. Die sehenswerte Spielanlage Marvin Wijks‘ war die krönende Senfbeilage auf dem Pappteller unseres Ausflugs.

 

Der Gästelock feierte trotzdem, ob des triumphalen Auftritts der Erstvertretung gegen den FC Hansa Rostock. 40-50 Leute hatten sich im Stehbereich zur Überraschung unser eingefunden. Doch nicht jeden Herz‘ schlug auch wirklich für die Gäste. An der einen oder anderen Mütze konnte ein Germania Button erspäht werden.

 

Im Block der „Ultras Halberstadt“ wurde hingegen durchgehend Stimmung gemacht und das ohne jede Form von Beleidigung, vollkommen auf das eigene Team und den Verein konzentriert. Sehr vorbildlich! Nur noch Frieden!

 

Erwähnenswert ist ebenfalls, dass der VfB gemeinsam mit dem FC Sankt Pauli Spenden für das Soziokulturelle Zentrum „ZORA e.V.“ sammelte, um damit dessen 10. Internationales Fußballturnier zu unterstützen. Dazu hatten beide Vereine jeweils ein Trikot zur Versteigerung bereit gestellt. Nur noch Frieden!

 

Nach dem Spielbesuch begann jedoch das eigentliche Highlight, auf der Suche nach einem Döner stolperten wir über allerlei historische Kostbarkeiten. Hatten sich beim Zonenschwaben schon beim Einritt in die mit 42.605 Menschen bewohnte Fachwerkmetropole Heimatgefühle eingestellt, waren wir nun vollkommen von der Schönheit der Innenstadt überwältigt.

 

In dem 804 von Karl dem Großen eingerichteten Bistum Halberstadt steht Kirche an Kirche. Das zur Missionierung des Ostens eingerichtete Bistum stand später den Plänen Otto des Großen für ein Nova Roma in Magdeburg entgegen und verlor beträchtliche Gebiete an das von Otto I. eingerichtete Erzbistum Magdeburg. Kirchenrechtlich war es jedoch weiter dem Erzbistum Mainz unterstellt.

 

Am Ende des Dreißigjährigen Krieges wurde das Bistum säkularisiert und schließlich mit dem Kurfürstentum Brandenburg vereinigt. Heute regiert in Halberstadt der gottlose Linke und Bürgermeister Andreas Henke, der die letzte Wahl mit 72,5% für sich entschied.

 

Letztlich hatten wir nur die Zeit den Dom eingehender zu inspizieren, sowie Rathaus, Martini- und Liebfrauenkirche zu umwandern. Weitere Kirchen locken in Sichtweite und wären locker fußläufig zu erreichen gewesen. Aber die Zeit ... Schön ist’s in Halberstadt, sollte Mensch gesehen haben! Und der Döner schmeckte schließlich auch noch hervorragend.


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