Polen ist nicht Südafrika!

Schon zur Europameisterschaft wollte der Royseleiter uns dazu bewegen, eines der neuen Elitestadien der Extraklasa zu inspizieren, wer will schon Länderspiele sehen?  Da musste erst der Hannoversche Sportverein von 1896 mit all seinem Charme locken, damit wir dem Ruf der neuen Arenen erlagen.

 

15.30 sollte die Reise am Bahnhof Neustadt beginnen. Denn bis 19.00 hatte die Geschäftsstelle von Slask geöffnet, wo wir erhofften eine Karta Kibica erstehen zu können. Bis zum eigentlichen Anstoß um 20:15 hätten wir zwar viel Zeit, doch um pünktlich die GS zu erreichen, hätte nichts dazwischen kommen dürfen.

Und kaum hatten wir die Autobahn erreicht, standen wir im Stau. Minute um Minute verstrich. Und wir waren kurz davor ein Plenum einzuberufen. Standstreifen oder Heimfahren? Der Royseleiter das erste mal kurz vorm Nervenzusammenbruch! Nach einer Dreiviertelstunde hatte das Gezuckel ein Ende und unser Pilot drückte das Gaspedal zum Anschlag, episch untermalt vom Pink Floyd Meisterwerk „Wish You Were Here“. Album inklusive erfolgreicher Single Auskopplung natürlich.

 

15 Minuten vor Ultimo erreichten wir Wrocław, dessen Aushängeschild sich WKS Śląsk Wrocław schimpft. WKS steht mittlerweile für Wrocławski Klub Sportowy, bis 1998 stand WKS noch für Wojskowy Klub Sportowy, ähnlich dem DDR-typischen ASK (Armeesportklub). Zu Zeiten der DDR gesellte sich noch das euphorische „Vorwärts“ zwischen jenes ASK und den Stadtnamen, während Śląsk soviel wie Schlesien bedeutet. Zunächst hieß der Verein jedoch WKS Pionier.

 

Noch vor wenigen Jahren trug Śląsk seine Heimspiele im Stadion Oporwska aus. Früher hieß das Ding mal Sportpark Gräbschen und der Stadtprimus Breslauer SpVgg 02. Dieser Verein existierte zwischen 1933 bis 1945 und war ein Produkt der Nazipolitik. Sie hat eine Fusion zwischen dem Breslauer SC 08 und den Vereinigten Breslauer Sportfreunden bewirkt. Dort befindet sich noch immer die Geschäftsstelle des Vereins, wo wir wie erwähnt erhofften die Karta Kibica zu erwerben.

 

Am 16. Mai 1926 gastierte sogar der DSC in Breslau. 0:1 unterlagen die Friedrichstädter dem BSC 08, allerdings auf dem Sportplatz des SC Schlesien Breslau, das heutige Stadion Piłkarski Sztabowa. Der SC Schlesien war aber weniger erfolgreich und bis auf die offensichtliche Namensähnlichkeit gibt es scheinbar keine Paralellen zum amtierenden Polnischen Meister.

 

Als wir endlich das Stadion Oporowska erreichten und im Fanshop ersuchten zu erfragen wo denn die Karta Kibica zu erstehen sei, kamen als Antwort fuchtelnde Arme und: „No, ne, stop!“. Als Quintessenz stellte sich heraus, dass für dieses Spiel der Erwerb dieser Karte nicht notwendig war. Ein Glück. Schnell Karten für die Tribuna A ergattert. 50 Zloty PP bei einem Kurs von 1:3:8 ergeben mit 13 Euro einen annehmbaren Preis. Das dachten sich auch 13.600 weitere Peoples. Davon gut 2000-2500 aus der langweiligen Hauptstadt Niedersachsens. Aber hey, wer sich an Wolfsburg und Braunschweig messen lassen muss... Auf zum Stadion mit dem spannenden Namen "Stadion Miejsk", zu deutsch so viel wie Städtisches Stadion.

 

A long time ago trug WKS seine Europapokalspiele zumeist im Olympiastadion aus. 35.000 Zuschauer fasst dieses Stadion. Nutzer ist jedoch der WTS Wrocław, ein Speedwayclub. Logischerweise finden dort also nur noch Speedwayrennen statt. Obwohl dort nie Olympisches Spiel stattfand, trägt es seinen Namen trotzdem. Denn es gab Zeiten, da wurden bei Olympischen Spielen, in diesem Zusammenhang die Sommerspiele von Los Angeles 1932, auch neun Kunstwettbewerbe durchgeführt. In den Rubriken: Reliefs und Medaillen, Bildhauerkunst, Grafik, Zeichnungen und Aquarelle, Malerei und Grafik, Musik, Literatur, Architektonische Entwürfe, Städtebauliche Entwürfe. Der Architekt Richard Konwiarz erhielt für seinen „Plan der Schlesierkampfbahn in Breslau“ die Bronzemedaille in der Kategorie „Architektonische Entwürfe“. Woher der noch heute aktuelle Name rührt.

 

Jedenfalls Spitzenblick auf die Anhänger des zweifachen und amtierenden Polnischen Meisters, zuletzt im abgelaufenen Jahr. Der Gast aus Hannover kann kaum zählbares an Titeln vorweisen. Aber immerhin unterlagen die 96er im Ostragehege dem DSC im Achtelfinale des Deutschen Pokals 1941 mit 2:9! Das ist doch was!

 

Aus sportlicher Perspektive war vom Spiel eigentlich nicht viel zu erwarten, außer ein klarer Sieg der Gäste. Der Überraschungsmeister sorgte in den letzten Wochen eher durch Skandale als durch erfolgreichen Fußball für Aufsehen und verabschiedete sich gegen Helsingborgs IF mit 1:3 und 0:3 aus der Champions League Qualifikation. Daher das steile Rund auch nur knapp mit einem Drittel gefüllt.

 

Dafür gab es für 12 Zloty eine leckere „Wurst“ wie die nette Bedienung meinte und dazu „four Bier“. Wir hatten gleich auf Vorrat bestellt. Die oberen Verkaufsstellen verblieben geschlossen und es wäre doch ein „mühsamer“ Weg das gesamte Treppenhaus herunter und wieder hinauf zu tingeln, „nur“ um an neues Pivo zu kommen.

 

Bevor die Partie begann sangen sich die Niedersachsen in Stimmung, während der Heimblock schwieg. Bloß kein Stimmungsboykott bitte! Die Zeit sollte aber auch die einzige bleiben, in der die Hannoveraner zu vernehmen waren. Zwar zeigten die Jungs von Slomka wer der Fußballerische Herr im Hause ist und ging rasch in Führung, doch stimmungstechnisch kamen sie nicht gegen die grüne Steilwand an. Diese teilte sich teilweise in zwei Blöcke um sich wechselnd gegenseitig anzubrüllen, von der Lautstärke reichte auch der halbe Block für 96.

 

5:3 hieß es am Ende für Schwarz-Weiß-Grün gegen Grün-Weiß-Rot. Darunter schöne Tore. Und auch die Reihenfolge sorgte nochmal für mächtig Stimmung. Das ist schon ein glänzender Start in die Hoppingrückunde 2012. 17 Tore in zwei Spielen! Und dann noch so hübsch anzusehen!

 

Nach Abpfiff ging es schnell zum Automobil und Richtung Innenstadt um den DW noch bei seinem Hostel abzusetzen. Das Navigationssystem navigierte uns durch ein nettes Industriegelände. Mehrfach hielten wir an derselbe Bahnlinie, aber an unterschiedlichen Schranken. Dort bat mich der Royseleiter doch das Fenster zu schließen, in Südafrika hätte man ihm erklärt … doch bevor er den Satz beenden konnte fuhr ich dazwischen: „Polen ist nicht Südafrika!“.

 

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