BeNePott

5 Spiele in 3 Tagen. 3 Länder an einem Wochenende. 1600 Kilometer. Unzählige Stunden am Steuer. Manch einer wird sich fragen: warum tut man sich das an? Nunja, der Royseleiter hatte sich was in den Kopf gesetzt. Und er fand 3 weitere Reiselustige. So ergab es sich, dass sich an einem knackig kalten Freitag früh ein Stürmerstar, der Royseleiter + 1 und der Autor dieser Zeilen auf den Weg Richtung Halle machten. Dort noch einen Exil-DSCer eingesammelt auf gen Aachen. Zu fünft. Im Fabia. Es musste gehen, wollte doch der Stürmerstar die Fahrt bis in die Kaiserstadt mit uns bestreiten und uns dafür reich mit Diesel beschenken, um im goldenen Westen das üppige Sportclub-Gehalt in einen neuen Mannschaftsbus zu investieren. Csobot raus. Erleichterung rein. Und schon war man in Lüttich. Ins Hostel rein, die Unterhose an, ab zum ersten Ground.

Freitag, 07.12.20.12, 20.30: 

Royal Standard de Liège – RSC Charleroi 6:1 (5:0) --> Bilder

 

Schon auf dem Weg zum Stadion überkam uns ein gutes Gefühl. Die Stadt wusste zu gefallen. Auch wenn die Straßenführung für ungeübte durchaus eine Herausforderung darstellt. Schnell einen günstigen Parkplatz gefunden und zu Fuß ging es die letzten Meter zum im Stadtteil Sclessin gelegenen Stadion. Wasserwerfer und eine Ansammlung Ordnungshüter erinnerten uns daran, dass wir uns ein Derby ausgesucht hatten. Bange Momente, bis wir endlich die reservierten Karten in den Händen hielten. Vor dem Stadion noch in wirklich toller, leicht englischer Atmosphäre ein Bier und bestes Essen, fernab deutscher System-Catering-Wurst, konsumiert und rein ins Stadion. Hammer. Eng. Steil. Fussball pur. Die Bilder sprechen für sich.

 

Das Spiel entschädigte für die ewig lange Anreise, stand es doch zur Halbzeit schon 5:0 für die Gastgeber, die zu Beginn mit einer Choreo über beide Hintertor-Tribünen einen tollen Rahmen für das Derby lieferten. Auch die antifaschistische Überzeugung der Ultras Inferno Liège wurde an einigen Stellen im Stadion sichtbar – großartig! So ganz zufrieden waren die mitgereisten Fans aus Charleroi nicht, und sie wollten das auch deutlich zeigen. Aus dem – wirklich relativ widerwärtigen – Käfig namens Gästeblock wurden mehrere Bengalos und unzählige Sitzschalen auf das Spielfeld katapultiert. Der Schiedsrichter reagierte mit einer Spielunterbrechung. Viel genützt hat es nicht. RSC kam zum Ehrentreffer, der aber vortrefflich durch Ezekiel, nach Vorarbeit des überragenden van Damme, gekontert wurde. 6:1 hieß es am Ende eines Spiels, das die Messlatte für den Rest der Tour recht hoch legte. Eins vorweg: kein anderer Verein konnte diese überspringen. Royal Standard de Liège hat bei allen einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Nur zu empfehlen. Tolle Stadt, toller Verein, tolles Stadion. Ob es nun gut oder schlecht für den weiteren Verlauf der Reise war, dass der Weihnachtsmarkt, ebenso wie der Rest der Stadt, nachts um 12 Sperrstunde hat, mag jeder für sich bewerten...

 

Samstag, 08.12.2012, 14:00:

Rot-Weiss Essen – Rot-Weiß Oberhausen 2:1 (1:0) --> Bilder

 

Da die Mitfahrer nicht zu überzeugen waren, sich die A-Junioren-Bundesliga im Paul-Janes-Stadion zu Düsseldorf anzuschauen, wurde der Morgen noch für ein bisschen Sightseeing in Lüttich genutzt. Kultur: check. Dann ab auf die Autobahn Richtung Müngersdorf. Aber Obacht – wollten wir nicht nach Essen? Gewohnt routiniert korrigierte der Royseleiter das Missgeschick des Navis und man kam kurz vor Spielbeginn in Essen an. Es mag sein, dass die Eiseskälte und der, sicherlich dem vereisten Platz geschuldete, Grottenkick das Gesamtbild noch schlechter erscheinen ließen. Ein offenenes, liebloses, rein technisches Stadion, gerade neu errichtet, ein, nennen wir es klassisches, Publikum und die Performance der Fangruppen ließen uns sehnsüchtig in Richtung der Tribünen des alten Georg-Melches-Stadion schauen.

 

Der durchaus gut gefüllte Block der Oberhausener kam nach 12 Minuten und 12 Sekunden ins Stadioninnere und versuchte sich an Support. Das Essener Publikum rund um uns antwortete mit wüsten Beschimpfungen, homophoben Gesängen und Drohgebärden. Vielleicht war die Erwartungshaltung einfach zu groß. Spätestens, als bei einem der Essener Tore, das Spiel ging 2:1 aus, eine Ladung Bier im Nacken landete, war dieser Teil der Reise unter „Erfahrung“ verbucht. Essen und wir – das passte einfach nicht. Aber am Abend stand ja noch Amsterdam auf dem Plan!

 

Samstag, 08.12.2012, 20:45:

Ajax Amsterdam – FC Groningen 2:0(1:0) --> Bilder

 

Ajax Amsterdam. Allein der Name. Eigenes Spielsystem, revolutionäre Nachwuchsarbeit, große Namen, Geschichten ohne Ende. Von der Stadt haben wir außer dem Hotel und dem eigens um die Arena gestrickten Stadtteil nicht viel gesehen. Auf dem Weg zum Stadion konnten wir eine Ahnung davon bekommen, was Ajax bedeutet. Menschenmassen, jeder einzelne trug voller Stolz mindestens ein Ajax-Utensil bei sich. Ein schier endloser Fußweg rund ums Stadion, das von außen eher unwirklich wirkt. Ein eigener S-Bahnhof, der sich irgendwie ins Stadion integriert. Sie wirkt wie ein Ufo, diese Amsterdam ArenA. Und trotzdem nicht charakterlos, nicht technisch, nicht rein funktional. Spätestens im Innenraum weiß man, warum: jede und jeder ist ein Teil von Ajax Amsterdam. Wenn eine Reihe vor dir ein, ohne unhöflich zu wirken, sicher 80-jähriger Mann sitzt, und gedankenverloren die Hymne mit geschlossenen Augen mitsingt, nicht voller Inbrunst, sondern einfach so, wie er sie interpretiert, wie er sie fühlt, wie er sie wahrscheinlich seit über 60 Jahren lebt, dann weißt du, dass du bei einem besonderen Verein bist.

 

Trotzdem wirkt dieses Stadion, dieser Verein, diese Welt Ajax, irgendwie unnahbar. Einerseits bist du in den Bann gezogen, wenn alle „Three Little Birds“ vom großartigen Bob Marley mitsingen. Andererseits ist es doch etwas gewöhnungsbedürftig, wenn beim ersten verpatzten Flankenball die Unmutsbekundungen durchaus deutlich zu vernehmen sind. Man merkt, dass der Verein nach Größerem giert. Und trotzdem sitzt du die ganze Zeit lächelnd im Stadion. Sei es, weil jeder Spieler mit einem Blumenstrauß einläuft, den er vor Anpfiff im Publikum verteilt, oder weil Kapitän de Jong nach Abpfiff dem Rolli-Fahrer hinterm Tor sein Trikot überreicht, und er sein selbst gedrucktes an ihn gibt. Mit einer Freude, die verrät, dass es für ihn der größte Tag seines Lebens ist.

 

Die Geschichte des Spiels ist schnell erzählt. Groningen mauert, Ajax versucht geduldig, das Tor zu machen. Einen Elfer verschießt benannter de Jong noch, trotzdem steht es vor dem Pausentee nach schönem Angriff 1:0 für die Hausherren. Anfang der zweiten Hälfte ist es dann Schöne, der es besser macht als sein Kapitän, und einen Strafstoß zum 2:0 Endstand verwandelt. Der Eindruck, Groningen könnte hier etwas mitnehmen, konnte nie entstehen, zu sicher war das Kombinationsspiel der Gastgeber. So war dieser Ausflug sicher eines: irgendwie anders, ganz besonders. Keine aufgepeitschte Stimmung, kein mitreißendes Spiel, kein übertolles Stadion. Es war wohl einfach Ajax. Beeindruckend. Wie die Schweigeminute vor Spielbeginn für Richard Nieuwenhuizen.

 

Sontnag, 09.12.2012, 14:30:

VVV Venlo – Vitesse Arnheim 3:1(1:1) --> Bilder

 

Nach durchaus lustigem Abend an der Bar unseres Amsterdamer Domizils ging es gestärkt wieder Richtung Süden. VVV Venlo stand auf dem Programm. Krasser Außenseiter mit Ziel Klassenerhalt gegen durchaus ambitionierte Arnheimer, die Richtung Meisterschaft schielen. Fred Rutten auf der Trainerbank und Theo Janssen sind sicherlich die bekanntesten Personen bei Vitesse, die von einem ansehnlichen Mob begleitet wurden. Venlo, geprägt durch Landwirtschaft, eine eher dörfliche Region, besitzt ein schmuckes kleines Stadion, das im Bestand erweitert wurde. Recht neu die Haupttribüne, recht alt der Rest. Und überschaubar. Angenehm überschaubar. Der Royseleiter beschrieb es als „Aachener Tivoli in klein“. Hat der ein Glück, dass keiner von uns den alten Tivoli kennt.

 

Nasskaltes Wetter zum abgewöhnen, natürlich auf Sitzplätzen ohne Dach. Arnheim geht in Führung, Venlo wirkt irgendwie wie Energie Cottbus in den ersten Bundesliga-Jahren. Bemüht, aber ohne echte Chance. Und doch dreht sich mit dem Ausgleich das ganze Spiel. Und mit ihm auch die Stimmung. Der nächste besondere Ort. Nur spielbezogener Support. Das Geschehen auf dem Rasen bestimmt die Emotionen auf den Rängen. Am Ende gewinnt Venlo mit 3:1 und die Leute gehen zufrieden, nahezu nüchtern erfreut, ihrer Wege. Für Venlo wird es weiterhin nur um den Klassenerhalt gehen. Und es macht nicht den Eindruck, als ob das irgendjemanden stören würde. Ein sehr sympathischer Underdog in der Eredivisie.

 

Sonntag, 09.12.2012, 18:00:

KRC Genk – Lierse SK 4:1(0:0) --> Bilder

 

Den Abschluss der Tour sollten wir in dem Land erleben, in dem sie so grandios begann. Mit leichtem Zeitdruck erreichten wir, auch gegen den Willen des wiederholt unkooperativen Navigationsgerätes, immerhin kann es platt schnacken, die Cristal-Arena in Genk. Große Verkehrsplaner scheinen hier nicht heimisch zu sein, zu ungeregelt die Anreise, zu abenteuerlich die Parkplatzsituation. Immerhin ein Eisenbahngleis liegt direkt neben dem Stadion, auf dem doch Tatsache ein Zug mitten im Feld bereit stand, der keinen Bahnhof brauchte. Genk wurde seiner Favoritenrolle gerecht, auch wenn die deutliche 3:0-Führung erst in Halbzeit zwei erzielt wurde.

 

Auffällig bei diesem Spiel: die Gästefans aus Lierse waren offenbar nur angereist, um Fussball zu sehen. Support war nicht vorhanden. Anders auf der Heimseite. Die Ultras legten ordentlich los, der Rest des Stadions stimmte immer wieder mit ein. Das hatten wir auch schon in Amsterdam und Lüttich beobachten können. Melodische, ausdauernde Gesänge, die vom Publikum angenommen wurden. Lierse kam noch zum Anschlusstreffer, Barda stellte allerdings kurz vor Schluss den alten Abstand wieder her. 4:1 der Endstand, der Genk auf Platz drei springen ließ und Lierse deutlich machte, dass es diese Saison einzig und allein um den Klassenerhalt gehen kann. Das Stadion schön, mit eigenem Charakter, auf jeden Fall eine Reise wert, da es die Stimmung durchaus kanalisieren kann. Das Wetter war nicht ganz auf unserer Seite, sodass wir am Ende froh waren, wieder im Auto Richtung Dresden zu sitzen. Ein großer Dank gilt dem Royseleiter, der immer alles im Griff hatte. Schöne Truppen, schöne Stadien, viele Eindrücke, und jedes Spiel für sich besonders. "Es war ein Fest!"

Ben

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