Allez allez, allez Nantais, jouez!

 

Ganz Nantes träumte vom Finale des Coupe de la Ligue. Ganz Nantes? In der Stadt war davon nichts zu spüren. Der Trainer der Kanarienvögel, Michel Der Zakarian, hatte vor einer Woche verkündet, dass die Konzentration ganz der Liga gilt. Daraufhin verloren die Gelb-Grünen beim Vorletzten, dem FC Sochaux, mit 0:1. Die Woche zuvor gab's das 0:5 bei PSG im Parc de Prince. Scheinbar hat der Ligapokal keine besondere Stellung in Frankreich, ähnlich dem UEFA-Cup in Europa. Die Clubs wollen ihn nicht. Nur aufgrund eines Fernsehvertrags muss er weiterhin bestehen. Wikipedia weiß, dass „zwei Drittel der französischen Fußballfans […] laut einer nicht repräsentativen Befragung die Meinung [äußern], der Ligapokal sei nicht mehr als 'eine Trostrunde für in der Liga gestrauchelte Klubs'.“

 

Dennoch verlangte der Club Top-Zuschlag für die Begegnung, in Verbindung mit einem Preiserlass, im Falle, dass ich eine Karte für die anstehende Begegnung mit Olympigue Lyonnais erwerbe. Die billigen Karten für die Hintertortribünen waren natürlich bereits vergriffen. Die heißen übrigens Loire und Erdre. Nach den beiden Flüßen, die Nantes durchströmen. Wobei die Erdre in die Loire mündet, welche sich schließlich auf den Weg Richtung Atlantik machte. Dessen Wetter gab es auch zum Spieltag. Regen und Sturm. Klarer Heimvorteil für die Canaris? Denkste. Nur weil Torwart Rémy Riou auf dem nassen Rasen ausrutschte, konnte Ibrakadabra sein Zuckertor präsentieren. Erster Ballkontakt, erster Torschoß und schon war die gute Stimmung im Beaujoire dahin.

 

 

Ich jedenfalls hatte mir eine Karte für die Tribüne Jules Verne kaufen müssen, klingt das nicht intellektuell? Der Unterrang schimpft sich zur Abgrenzung „präsidentielle“ Tribüne. Gegenüber liegt die tribune Océane. Knapp 36.000 Zuschauer wollten das Spiel sehen. 37.473 passen rein. Nicht ganz ausverkauft. Könnte an den Pufferblöcken, zum doch erstaunlich vollen PSG-Block liegen. Wobei längst nicht alle PSG-Fans im Gästeblock standen. Mein Nachbar bspw. war Anhänger der Hauptstädter und auch sonst konnte man allerlei Menschen erkennen, die mit Utensilien des Zlatan-Clubs wedelten.

 

Also: trotz geringer Bedeutung des Wettbewerbs waren viel Pariser angereist? Normalerweise besteht der PSG-Block doch aus zwei Leuten. Oder hat PSG aufgrund der kurzen Abstinenz des Erstliga-Fußball in den hiesigen Gefilden so viele neue Anhänger am nördlichen Atlantik gefunden? Denn Nantes gelang erst in der letzten Saison der Wiederaufstieg. Der Club, der für seine herausragende Nachwuchsarbeit bekannt ist, Marcel Desailly, Didier Deschamps, Christian Karembeu, Paul Le Guen oder Mickaël Landreau, sollten euch ein Begriff sein, spielte seit 2009 in der Ligue 2. Derzeit kämpfen die Nantaiser um einen UEFA-Cup-Platz, haben aber zuletzt in der Liga Rückschläge hinnehmen müssen und auch der Liga-Cup ist nun Geschichte.

 

Den Kindern, die sich mit ihren Vätern zu mir in die Straßenbahn quetschten, war die Bedeutung des Bewerbs jedenfalls egal. Die Augen wurden immer größer und als sich die Türen des Tramways schlossen, explodierten die kleinen Jungs fast vor Spannung und Vorfreunde, vergaßen sogleich ihren Müttern zu winken, die sich an der Haltestelle zum Abschied drapierten.

 

Am Stadion angekommen, gab es einen großen Markt, auf dem man vor allem Kebab, aber auch eigenartige Steaks und Würste im Baguette erstehen konnte. Ich ersparte mir den Test der Gastronomie und werde dies am Sonntag für euch nachholen. Mein finnischer Spielbegleiter urteilte hart über den Charme des Stadions. „Hässlich“. Erinnere ihn an das Nationalstadion in Helsinki. Zumindest von außen. Ein Urteil über das Innere wollte er mir nicht angedeihen. Er war begeistert von der Stimmung, die er aus Finnland so nicht kenne. Obwohl ich ebenfalls nicht auf den rationalen Charme von Betonkästen stehe, fand ich die runde Form dennoch schön. Das Beaujoire genannte Stade de la Beaujoire mit dem Namenszusatz „Louis Fonteneau“, nach einem ehemaligen Clubpräsidenten, wurde 1984 fertig gestellt. Bis dahin war die Heimstätte des FC das Stade Marcel Saupin, das direkt an der Loire liegt, nur wenige Meter vom historisch-touristischen Kristallisationspunkt der Stadt, dem Schloß der Herzöge der Bretagne. Nantes ist dessen historische Hauptstadt. Nach einer Kreisreform vor mehr als einem halben Jahrhundert, wurde Rennes zur Haupstadt des neuen Departements Bretagne, dem Nantes nicht mehr angehört.

 

Seit der Fertigstellung des Stadions hat es elf Länderspiele sehen dürfen. Sechs davon bei der Fußball-WM 1998 und zwei bei der EM 1984, wobei auch der Zuschauerrekord aufgestellt wurde. 51.359 Menschen wollten das 5:0 Frankreichs über Belgien sehen. Heute fasst die Bude noch 38.000. Als die Partie dann endlich begann, gab's keine besondere Choreo der „Brigade Loire“, wie sich die Ultras des FCN schimpfen. Stimmungstechnisch legten die Jungs gut los, teilweise zog das ganze Stadion mit und ich hatte eine Ohrwurm mehr.

 

 

Die Stimmung war gut, bis, tja, bis... Riou ausrutschte und Zlatan zlatanierte. Nantes versteckte sich anschließend, PSG spielte Katz und Maus. Zwei 100% vergaben die Hauptstädter noch. 10 Minuten vor der Pause trauten sich dann die Kanarienvögel auch mal etwas zu. Und plötzlich brannte es im Straufraum der Gäste. Ein Kopfball konnte gerade noch so auf der Linie gerettet werden. Es folgte eine Kanonade von Ecken. Mindestens sechs Stück, die aber alle nichts einbrachten. Mit 0:1 ging's in die Pause.

 

Nach der Pause verflachte die Partie. PSG verwaltete, Nantes traute sich kaum etwas zu. Hinzu kamen gerade zu endlos wirkenden Spielunterbrechungen, aufgrund unsäglicher Schauspieleinlagen auf Seiten der Gäste, ständig wälzte sich ein Hauptstädter vor Schmerzen krümmend am Boden. Nicht sehr schön anzusehen, tat aber sein übriges für die aufgeheizte Stimmung im Stadion. Höhepunkt war ein Freistoß, der knapp übers Lattenkreuz segelte. Nicht etwa getreten von Ibra, sondern von einem Nantaiser. 10 Minuten vor Schluß war es dann endlich so weit, die Grün-Gelben kombinierten sich in einen Rausch, legen von der rechten Grundlinie den Ball quer, aber als beide Stürmer verpassen, ächzte das Publikum schon, denn keiner hatte mit dem aufgerückten Linksverteidiger Olivier Veigneau gerechnet, der den Ball aus dem Rückraum ins Tor ballerte. Plötzlich stand das Stadion kopf, für 10 Minuten war die Stimmung nochmal gigantisch.

 

Doch kurz vor Schluß, alle hatten sich mit der Verlängerung abgefunden, beging ein Grün-Gelber ein überflüssiges Foul in der eigenen Hälfte, kurz nach der Mittellinie am Seitenaus. Statt sich zu postieren, hilft der gutmütige Nantaiser dem gefoulten Pariser auf, der den Ball sofort steil spielt. Da fehlte natürlich nun der besagte Verteidiger. Die überrumpelte Abwehr ließ Zlatan sträflich frei, der aus fünf Meter unbedrängt einköpfen konnte. Normalerweise war Zlatan von einem Block von fünf Gelben umzingelt. Doch diesem Weltklassefußballer reichen halt zwei Szenen, um ein Spiel zu entscheiden. Wahrhaft schade, dass das Spiel auf diese Weise einen Sieger gefunden hat, einem Spitzenteam wie PSG nicht würdig.

 

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