Wochenende, Fußball, großartig!

Um mal wieder ein wenig Fußball an der Basis zu genießen, durchschnüffelte ich das Internet nach annehmbaren und leicht zu erreichenden Grounds in der Umgebung. Was gar nicht so einfach ist. Die Webseiten der meisten Fußballvereine sehen aus, als sei das Internet gerade erst erfunden worden, Angaben zu Spielstätten, geschweige den Bilder, sucht man vergeblich. Dennoch hab ich mindestens zwei Spielstätten in günstiger Nähe gefunden, die auf der Liste gelandet sind und gehakt werden müssen. Für meine gestrigen Ansprüche waren diese jedoch zu hochklassig. Als ich obige Tribüne entdeckte, musste ich lange suchen, bis ich herausfand, zu welchem Verein sie gehört. Glücklicherweise stellte sich fix heraus, dass sie in der Nachbarstadt steht. Nachbarstadt bedeutet soviel, als wäre als ginge man die Leipziger Stadtauswärts stadtauswärts und verlässt die Neustadt in Richtung Pieschen.

 

St. Herblain schimpft sich das 43.000 Köpfe zählende Örtchen, wo ich mir kürzlich erst die Haare habe frisieren lassen. Um zum Sportplatz zu gelangen, brauchte ich nur wenige Haltestellen mit der Straßenbahn bis zur Endhaltestelle kutschen und einen Fußmarsch von 10 Minuten hinter mich bringen. Wohngegend in bester Lage. Zumindest durchstreifte ich eine Riesenbaustelle, die sich perfekt als Kulisse für ein Abenteuer des A-Teams geeignet hätte. Baufahrzeuge, die man zu Kampfpanzern hätte umbauen können, allerlei provisorische Holzkonstrukte, die darum betteltenden zu Schrott geballert zu werden, in meinem Kopf sah ich allerlei Statisten, die von B.A. durch die Luft gewirbelt würden und schon stand ich, viel schneller als erwartet, vor dem Sportareal. T-20 Minuten bis zum Anstoß. Zu spät los, zu früh da. Hannibal, Gott habe ihn seelig, würde sich die grauen Haare über meine Fehlplanung raufen.

 

Auf dem Rasenplatz mit der Tribüne war nichts los. Zwar waren die Boxen im Vereinsheim so drapiert, dass sie den verlassen Platz beschallten und nicht die wenigen wartenden Zuschauer, sowie die sich erwärmenden Spieler, doch meine deprimierende Vorahnung sollte sich bestätigen. Gespielt wurde auf dem nagelneuen Kunstrasen. Aufstrebender Stadtteil nennt man sowas wohl.

 

Die beiden Mannschaften machten auf mich einen eher ungleichen Eindruck. Die Hausherren im Schnitt wahrscheinlich kaum über 20, die Gegner kaum unter 30, aber wahrscheinlich mit dem gleichen BMI. Nur dass der Schnitt der Heimmannschaft durch die unglaubliche Körperfülle des Torhüters angehoben wurde, während ein Großteil der Gäste Stolz die Bierwampe vor sich her trug. Der St. Herblain Olympic Club, kurz SHOC, in fragwürdiger gelb-grün Kombination gegen den FC Stephanois aus der knapp 15km entfernten 6.000-Seelengemeinde Saint-Étienne-de-Montluc im modisch-weißen Kappatrikot mit schwarz-rotem Balken und der Spritwerbung auf dem Rücken. Rein optisch war für mich die Entscheidung zu Gunsten der Gäste gefallen.

 

Dazu der vor Erfahrung strotzende Trainer, mit seinem glatt-grauen, mittellangem Haar, das "ich-hab-schon-alles-erlebt"-Gesicht, vollendet durch eine ästethisch anspruchsvolle Brille, mit dickem schwarzen Rahmen, gekleidet in einem todschicken Polo, einer obligatorischen Trainingshose, mit in die Socken gestopften Enden sowie skaterskills erahnen lassenden Sneakern. Er hatte mein Herz sofort gewonnen. Wahrscheinlich einer der legendären Hartplatzhelden und weit über die Grenzen seines Dorfs bekannter Taktikfuchs.

 

Deuxième Division - District Loire-Atlantique 2013/14

 

La journée N° 18 | Samedi., 12. avril 2014 | 15:00 | Stade du val de Chézine

 

 

Saint Herblain Olympic Club

 

 

3:0(0:0)


 Football Club Stéphanois

 

Das Spiel begann, übrigens eines der zwölften französischen Liga, wie ich herausgefunden zu haben meine, turbulent. Die blitzenschnellen, jungen, agilen Stürmer rissen Räume in die behebige Defensive der Gäste. Doch die Hausherren scheiterten ein ums andere mal. An sich selber, am Torwart, am Gegner, am Aluminium, der eigenen Abschlußschwäche. Ich beschränkte mich auf meine Feldstudie und war begeistert, dass die Franzosen mit den selben Floskeln um sich ballerten. Amateurfussball as it's best.

 

In der Halbzeitpause enterte ich das Vereinsheim. Ein Traum, Bier für zwei Euronen, 0,33 vom Faß. Im Vergleich zu sonst ein Schnäppchen. Irgendwas einheimisches, ein Genuss. Keine 5 Minuten und ich hatte, mich selbst überraschend, den Becher geleert und forderte sogleich Nachschub. Dazu Panoramablick aus erhöht installiertem Vereinsheim über den Sportplatz. Eine per Fernsteuerung steuerbare Anzeigetafel. Hier wird geklotzt, nicht gekleckert. Dann stellte ich interessiert fest, wie sich das bretonische Herrengedeck zusammensetzt. Rosé und Schnappus. Die Veteranenbrigade säumte den Tresen und schlürfte die für mich ungewohnte Kombination. Saufen die Bretonen doch tatsächlich Wein beim Fußball, dann gibt es noch nichtmal Ausfälligkeiten. Artiges applaudieren und ein euphorisch über das künstliche Grün geschmettertes "allez les jaunes". Man ist versucht von wahrhafter Fußballkultur zu sprechen.

 

Der Linienrichter schüttelte mir schnell die Hand, erkundigte sich nach meinem Befinden und rauchte ein Kippchen. Zurück gefragt lautete die Antwort, Wochenende und Fußball, also großartig. Äh Traum. Nachdem der eigentliche Co-Trainer seinen Platz an der Linie wieder eingenommen hatte, begann die zweite Hälfte. Ein großer Hanfstengel kreiste über die Tribüne, man möchte meinen die Atlantikbewohner stehen dem verpöhnten Konsum des berauschenden Gewächs recht liberal gegenüber. Niemand schien sich daran zu stören.

 

Die Hausherren gingen diesmal sogleich in Führung, legten nach und bauten aus. Nachdem der Referee dem jüngsten auf dem Platz einen Elfmeter verwehrte, ließ dieser sich entnervt auswechseln. Weil er sich angeblich zu viel Zeit ließ, bekam er den gelben Karton gezeigt. Vom Feldherrenhügel klärte der Grillmeister den Schiedsrichter fachmännisch darüber auf, dass der Spieler 30 Sekunden Zeit habe, um den Platz zu verlassen. Die Intonation verriet, dass er die Verwarnung als nicht berechigt betrachtete.

 

Ansonsten passierte nichts spektaukuläres mehr, von weitem vernahm ich noch die französische Variante der UFFTA. Mit einem Dosenatlas in der Hand kehrte ich heim.

 

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