Unter Möwen und anderem Getier

 

FC Aberdeen vs KF Shkendija 0:0

 

09.07.2015,

Pittodrie, 14.200 BesucherInnen

 

Pittodrie, 24min im Qualifikationsspiel der Europa-League zwischen dem FC Aberdeen und der mazedonischen Vertretung von KF Shkendija: Die (manchmal) geduldsamste aller Begleitungen murrt. Und man kann es ihr nicht verdenken, denn das Niveau der Begegnung ist selbst fuer EL-Standards doch ausserordentlich bescheiden. Nur das Hinspielergebnis (1:1) hält das Geschehen leidlich spannend.

 

Die Stadt Aberdeen ist nicht das Abu Dhabi des Nordens, auch wenn die Stadt ganz ähnlich vom (Nordsee-)Öl-Boom lebt und das höchste Pro-Kopf-Einkommen und die geringste Arbeitslosenrate in Grossbritannien aufweist. Der AUDI-Faktor in der Stadt ist also extrem hoch, auch wenn man nicht lange suchen muss, um die Leute zu treffen, an denen der Boom der letzten Jahre offensichtlich und kontinuierlich vorbei gegangen ist. Auch die Innenstadt ist gepflastered mit Charity-Second-Hand- und Poundsaver-Läden. Immerhin gibt es einen Strand, der es mit der arabischen Halbinsel aufnehmen könnte, wenn das Wasser nicht gar so kühl wäre.

 

Die Öl-Milliarden scheinen auch dem FC Aberdeen entgangen zu sein. Seit die Mannschaft zum Beginn der 1980er Jahre nationale und europäische Ehren und Titel einsammelte (1983 Pokal der Pokalsieger, 1984 Supercup-Sieger – übrigens unter einem jungen Trainer names Alex Ferguson) vollzog sich parallel zum Nordsee-Boom der schleichende Abstieg der Clubs. Erst in den letzten Jahren gelang es (begünstigt durch den Zwangs-Abstieg der Glasgow Rangers in die 3.Liga) die Mannschaft wieder zu einer festen Grösse hinter Celtic Glasgow zu etablieren und regelmässig die EL-Qualifikation zu erreichen.

 

Begonnen hatte alles gut: der Spielplan war mit uns und auch Tickets waren kein Problem. Man überraschte uns sogar mit der Ankündigung, dass knapp 15.000 Zuschauern erwartet wurden. Für EL-Spiele auf der Insel - wo man für die Qualifikation zu diesem Wettbewerb eigentlich nur Verachtung übrig hat - ein fast schon sensationeller Wert. Und so reihten wir uns in die Erwartungsfrohen ein, die am Abend zum Stadion in der Northside pilgerten. Man kann über britischen Fussball schreiben was man will, aber in Aberdeeen war die Atmosphäre schon auf dem Weg zum Stadion passend – Anspannung und Vorfreude, alle möglich (Alters-)Klassen, kein Rumgeprolle und Möchtegern-Ultras – hier wird das Spiel noch ernstgenommen – betrinken kann man sich später auch noch. Dazu gab es noch ein Hochglanz-Stadion-Magazin und ein Supporter-Zine ('the red final') - Fan-Seele, was willst Du mehr! Auch das Stadion ist altehrwürdig, auch wenn man, offenbar immer wenn Geld zur Hand war, neue Tribünen-Teile angefügt hat. Es gab natürlich kein Bier, aber bei der Auswahl aus fettigen Pies, Tee und Süsswaren, war alles dabei, was man am britischen Stadionbesuch einfach lieben muss.

 

Aber drumherum ist nicht alles – wichtig ist bekanntlich auf dem Platz!

 

Dort konnte das Heimteam vor Spielbeginn mit gleich 3 Maskottchen überraschen! Ein Bulle, eine Möwe und etwas, was einige Diskussion zwischen mir und der phantasievollsten aller Begleitungen auslöste. Ein Schaf? Mit Weihnachtsmannmütze? Oder Punk-Frise? Ein Schneemann? In jedem Fall verwirrend für den Aussenstehenden, auch wenn der Familien-Block fast ausflippte vor Freude, als die drei Gestalten zum Photo machen kamen. Es gibt, wie man später feststellte, sogar ein Kinderbuch mit den drei Gesellen.

 

Fussballerisch war es an diesem Abend aber leider nichts. Beide Teams agierten auf sehr bescheidenenem Niveau. Die Gäste vom Balkan waren zwar die agilere Mannschaft, aber in letzter Konsquenz extrem harmlos. Die Heimmannschaft wirkte fahrig und hatte wenig Zugriff auf das Spiel. So entwicklte sich wenig Überraschendes, worunter auch die Stimmung stark litt. Ausser sporadischer Anfeuerung war wenig zu vernehmen, was die belesenste aller Begleitungen dazu veranlaste, sich nach Irland zurück zu wünschen, wo wenigstens die Beleidigungen unterhaltsam waren. Dem ist wenig hinzuzufügen, ausser, dass die Möwen-Invasion Mitte der 2.Halbzeit bereits ein highlight darstellte, welches hier erwähnt werden muss und es sogar in die überregionale Presse schaffte. Natürlich waren die letzten Minuten nochmal dramatisch, weil sowohl die Schotten, als auch die Mazedonier die Entscheidung auf dem Fusse hatten, aber ein solches Spiel verdient wohl keine Tore.

 

Schlussendlich ging man mit der Erkenntnis auseinander, dass HNK Rijeka in der nächsten Runde für beide Mannschaften eine zu hohe Hürde sein würde - nur um die Woche darauf fassungslos feststellen zu dürfen, dass die Schotten das Hinspiel in Kroatien mit 3-0 gewonnen hatten. Fussball oder Verschwörung? Wer kann es schon sagen...

 

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