3. Runde, Sachsenpokal: SV Zeißig - Chemie Leipzig 1:3 (0:0)

Tore: 1:0 Kober (65./FE), 1:1 Hermann (67.), 1:2 Böttger (73.), 1:3 Hermann (81.)

 

SVZ: Zschorlich - Weichert, Scharff (89. Müller), Bach, Kober, Guroll, Görner, Unruh, Schumacher, Laser (85. Tschierske), Geso (54. Kümmig)

 

BSG: Dölz - Barth, Hey, Trogrlic, Rodriguez-Schwarz - Böttger, B. Schmidt, Yajima (46. Hermann) - F. Schmidt, Kind, Wendt (46. Ludwig)

 

ZuschauerInnen: 853 (Jahn-Stadion Hoyerswerda)

 

Bericht:

So unterschiedlich wie die Ausgangssitutationen der beiden Protagonisten unseres Ausflugs waren auch die Motivationen der einzelnen Reiseteilnehmer. Unser Hobbylausitzer hatte sich seines Heimweh ergeben und zum Reisegruppenleiter designiert und nachdem ein Fahrer aquiriert werden konnte, wurde das Projekt „Kultour mit Familienzusammenführung“ mit zwei Schaulustigen kompletiert, die neben dem fußballerischen Hauptgang zu gern als Vorspeise noch ein wenig Heimatluft mitschnuppern. Serviert wurde ein Besuch in der Energiefabrik Knappenrode, die auch als Sächsisches Industriemuseum firmiert und kaum zehn Minuten von der Sportanlage des Ausrichters gelegen ist. Eintritt in die unter Denkmalschutz stehende Brikettfabrik Knappenrode wurde gegen läppische 5 Euro bzw. 2,50 Euro für den nichtsnutzigen Studenten gewährt. Zu sehen gab es neben den ganzen Anlagen zur Kohlebrikettierung eine begehbare Auswahl an Lokomotiven, die das Herz eines jeden Hobbylokführers höher schlagen lassen und fast die ganze Sammlung meiner TT- und H0-Kellersammlung im Großformat wiederspiegelten. Grubenbahn- und Bergbautechnik, Tertiärwald und Mineralienausstellung lassen alle von Klein bis Groß auf ihre Kosten kommen. Zudem gaben animierte Filmchen Aufschluß, wie die beim Braunkohleabbau entstehende Sandlandschaft durch Sprengung verdichtet werden kann, um der Gefahr ausgedehnter Treibsandfallen zuvor zukommen. Nicht nur der Treibsand ließ ein Indiana-Jones-Feeling entstehen, animierte Flammen und Brandgeräusche, dazu der pünktlich um zwölf einsetzende Test des Flieger- aka Katastrophenalarmanlage erzeugten eine Athmosphäre auf der weiten Industrieanlage nah an der Kugelstadtmission in Return to Castle Wolfenstein.

 

Doch Treibsand und Flammenwerfer waren nicht die einzige Gefahr, vor der im sächsichsen Osten gewarnt werden musste. In der blaubraunen Festung der Bundesrepublik stellte die Versammlung der schönsten Menschen, die die Stadt Hoyerswerda zu bieten hat, ein Highlight für jeden Soziologen dar. Die große, den Namen des Turnvater Jahns tragenden Sportstätte, eingerahmt in die Blockbauten der DDR, stellte die ideale Kulisse für dieses Schauspiel da. Am erhöhten Zuschaueraufkommen ließ sich erkennen, wie lange die Stadt keinen höherklassigen Fußball mehr gesehen hat. Der ehemalige Stadtprimus Aktivist aka FSV oder FC Lausitz existiert nicht mehr. Der Verein fusioniert mit dem Fusionsverein HSV 1919 zum Hoyerswerdaer FC, Vereinsfarben grün-weiß. Ebenfalls die Farben des gastgebenden SV Zeißig und der gastierenden BSG Chemie. Hoyerswerda ist grün-weiß, möchte man meinen, das galt für das am Haupteingang prangende Logo des HFC sowie den Gästeblock, im Heimbereich dominierten die schwarz-gelben Farben mit Ausreißern zu Sympathien für den 1.FC Lok, dem FC Energie Cottbus und dem FC Sankt Pauli. Außerdem konnte eine rasputingleiche Gestalt mit Sowjetstern an der Hutkrempe ausgemacht werden. Zur modischen Lieblingsmarke im Heimberich hingegen zählte das Produkt „Thor Steiner“. Dementsprechend war es nicht verwunderlich, dass ein Ordner seine Kumpels mit „Heil Hitler“ begrüßte. So konnte dann Vati seinem Sohnemann auch Stolz aus dem Nähkästschen berichten, als dieser von einem Chemie-Spruchband irritiert fragte, was den 91 in Bochum gewesen wäre. Dieser jedoch klar stellen konnte, woruf die Soli-Bekundung mit der „Initiative Pogrom 91“ wirklich anspiele.

 

Auf dem Platz präsentierte sich eine lustlos agierende Chemie-Elf, wobei man von einer „B-Elf“ mit Torjäger Tommy Kind im Angriff mehr erwarten muss. Wenig zielstrebig konnte sich die Truppe von Dietmar Demuth in Halbzeit eins kaum eine Großchance erspielen. Derer drei hatte hingegen die taktisch hervorrangend eingestellte Mannschaft von Stefan Hoßmang. Die Mannen des SV Zeißig zeigten was ein hervorragender Trainer und eine verschworene Truppe erreichen kann. Dieses Highlight, dass 1.000 Menschen den kleinen SVZ gegen die große BSG Chemie sehen wollten, hatten sich die Jungs wahrlich verdient. Und sie schrammten derart knapp an der Sensation vorbei. Allein Stürmer Geso hätte im ersten Durchgang zwei Buden machen können oder müssen. Ein schlampiger Fehler im Aufbauspiel des gelangweilten Schlußmanns Dölz hatte Geso per Direktabnahme nur knapp neben den Kasten gesetzt, ehe derselbe bei einer Flanke von Links nur um Milimeter diese Hereingabe verpasste, die nur noch über die Torlinie gedrückt werden wollte.

 

Auch nach der Halbzeit konnten die Chemiker der Partie nicht ihren Stempel aufdrücken. Ein berechtigter Elfmeter ließ den Knoten Platzen. Goalgetter Kober verwandelte Eiskalt für die Hausherren. Das Heimpublikum nun in Exstase. Schon der Elfmeterpfiff hatte erste gemeinsame Rufe wie „jetzt geht’s los“ zur Folge. Nach dem Führungstreffer herrschte kollektive Verwirrung im Heimbereich. Die Querfront aus Lokisten, Dynamos und Cottbussern wusste vor lauter Enthusiasmus zunächst nichts Gemeinsames anzustimmen, ehe man sich nach ersten kläglichen Versuchen für den einzigen gemeinsamen Nenner entschied: Häme in Richtung Schämmieblock. „Ihr könnt nach Hause fahren“ war aber ein eher harmloses Ergebnis dieser Übereinkunft. Die Häme sollte jedoch im Halse stecken bleiben, als der Keeper der Hausherren bei einem Abschluß aus 16 Metern kaum 60 Sekunden nach der Führung keine gute Figur machte. Weitere 360 Sekunden vergingen, ehe die BSG Chemie in Führung gegangen war, der mitgereiste Anhang nahm dies vergleichsweise stumm zur Kenntnis. Der Support der Chemiker im Allgemeinen gewohnt stabil und monoton, aber für die Anzahl von max. 150 Leuten, wovon nicht alle mitzogen, doch sehr laut. Spielbezogen ist zwar was anderes, aber „immerhin unterstützen sie ihre Mannschaft überhaupt“, wie ein Kenner im Heimblock anerkennend zum Besten gab.

 

Dieser leerte sich eine Viertelstunde vor Spielende rapide. Die älteren Semester verließen die Spielstätte, nachdem die Überraschung in aussichtslose Ferne gerückt war, die jüngeren hofften noch auf körperliche Außeinandersetzungen im Anschluß an die Begegnung. Zufällig konnten wir dann noch beobachten, wie eine Schar von 20 Schlägern versuchte, sich von hinten an die abreisenden Chemiker heran zu pirschen, wobei diese ihrerseits recht unmotiviert davon schlenderten und kein Interesse an einer dritten Halbzeit bekundeten. Zudem hatte die Polizei die Lage vollkommen unter Kontrolle und musste aufgrund des eklatanten Übergewichts so manchen Verfolgers nicht unbedingt an ihre Grenzen gehen, man könnte es eher als gemächliches hinterher Trotten durchs hohe Gras bezeichnen.

 

Danach konnten wir uns endlich wieder den wahren Highlights des Ausflugs widmen. Den Heimatgeschichten unseres Reiseleiters. Von den wöchentlich wechselnden Heimspielen in Knappenrode, bis zu Omas von den Roten konfisziertem Großgrundbesitz, den Leidens- und Lehrjahren auf Hoyerswerdaer Schulen und Schulhöfen, den kulinarischen Highlights um den besten Döners der Stadt und was die Jugend im sächsischen Osten noch so alles an Gassenhauern bereit hielt. Angestachelt von den Schwänken erzählte „Opa“ dann noch vom Krieg in der Königsbrücker Heide und vollendete die Bildungsfahrt mit kleinen Annekdoten aus dem Dresdner Vorort Weixdorf. Vielen Dank!

 

Bilder: